Deutschland: Partner dritter Klasse

Thorsten Brückner (JF): Partner dritter Klasse  (6.7.):

Edward Snowden machte es öffentlich: Amerika behandelt Deutschland wie einen Feindstaat. Im engmaschigen Netz weltweiter Geheimdienstüberwachung wird Deutschland ausdrücklich als Überwachungsziel genannt.

Sogar bekennende Transatlantiker waren wie vom Donner gerührt: Eine halbe Milliarde Telekommunikationsdaten fangen die Amerikaner jeden Monat aus Deutschland ab. Damit steht die Bundesrepublik wie kein anderes europäisches Land im Visier amerikanischer Geheimdienste. Pro Tag zweigt der militärische Nachrichtendienst NSA 15 Millionen Telefon- und 10 Millionen Internetdaten in Deutschland ab und speichert sie. In Frankreich sind es pro Tag nur etwa zwei Millionen.

… „Abhören von Freunden, das ist inakzeptabel. Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Innenminister Hans-Peter Friedrich, der Kritikern des NSA-Programms noch in der vergangenen Woche „eine Mischung aus Antiamerikanismus und Naivität“ vorgeworfen hatte, die ihm „auf den Senkel“ gehe, fordert nun eine Entschuldigung von Washington.

Glaubhaft ist diese Empörung nicht.

… Der britische Geheimdienst darf keine Briten überwachen, der amerikanische keine Amerikaner und der BND keine Deutschen. Was liegt also näher, als einen ausländischen Dienst die schmutzige Arbeit machen zu lassen, um so nationale Bestimmungen wie beispielsweise das Verbot der Vorratsdatenspeicherung zu umgehen.

Im engmaschigen Netz weltweiter Geheimdienstüberwachung gerät Artikel 10 des Grundgesetzes, der das Post- und Fernmeldegeheimnis festschreibt, zum bloßen Papiertiger. Wie blanker Hohn wirkt es da, wenn der frühere NSA-Mitarbeiter William Binney die Deutschen als „immer hilfreich“ für die Zusammenarbeit mit der NSA lobt. Dennoch liegt die Vermutung nahe, daß die Entscheidungsträger zumindest vom Ausmaß der Überwachung überrascht worden sind.

Eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung

Während für die USA die in den Dokumenten zu den „Fünf Augen“ zählenden Verbündeten Großbritannien, Australien, Kanada und Neuseeland als Überwachungsziele tabu waren, wird Deutschland neben weiteren westlichen Verbündeten in den Geheimdokumenten als „Partner dritter Klasse“ bezeichnet und ausdrücklich als Überwachungsziel genannt. Eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung, die statt einer interessengeleiteten Außenpolitik allzuoft eine in romantische Phrasen eingebettete Anbiederungspolitik an den großen Bruder jenseits des Atlantiks betreibt.

Droht ein supranationaler europäischer Geheimdienst?

Zu befürchten steht aber, daß die Bundesregierung auch in dieser Sache eine europäische Lösung sucht. Weil sie wie besessen von dem Gedanken sind, als Global Player den USA und Rußland Konkurrenz zu machen, könnten die Entscheidungsträger in den europäischen Hauptstädten wegen dieser Abhöraffäre auf die Idee kommen, einen starken europäischen Geheimdienst als Gegenspieler des NSA ins Leben zu rufen.

Das seit dem Lissabon-Vertrag existierende Joint Situation Centre ist bisher noch auf die Datensammlung durch nationale Geheimdienste angewiesen. Ein solcher europäischer Geheimdienst entzöge sich endgültig jeder rechtsstaatlichen Kontrolle. …

… Am Montag wurde bekannt, daß Edward Snowden auch in Deutschland Asyl beantragt hat. Diesen Antrag innerhalb der Regierung zu diskutieren und einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, hätte ein erster Schritt hin zu mehr Selbstbewußtsein im Verhältnis zu Amerika sein können – und auch die kleine Rache für einen mehr als unfreundlichen Akt.

Ergänzung 10.7.2013:

JF: Snowden ruft Amerikaner zum Widerstand auf  (9.7.):

Edward Snowden hat seinen Gang an die Öffentlichkeit verteidigt. Im zweiten, nun veröffentlichten Teil seines Interviews mit dem Enthüllungsjournalisten Glenn Greenwald kritisiert er die Einschränkungen der Freiheit durch den in den USA errichteten Überwachungsstaat.

… In Wahrheit sei er ein Patriot, so Snowden in dem Interview weiter. Er beschreibt, warum er sich vor zehn Jahren zur Armee gemeldet habe: „Ich glaubte damals an die Richtigkeit unseres Handelns.“ Doch je länger er dabei gewesen sei, habe er gespürt, daß die USA die Öffentlichkeit des eigenen Landes und der Welt irreführten. „Amerika ist ein gutes Land. Wir haben gute Menschen mit guten Werten“, betonte der 30jährige. Die existierenden Machtstrukturen weiteten sich immer stärker auf Kosten der Freiheit aus.

Jegliche Kommunikation werde überwacht: jeder Anruf, jeglicher Internetverkehr. Das Programm Prism bedeute, daß der Staat eine Akte über jedermanns Leben besitze. Snowden: „Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich mache, aufgezeichnet wird. Und das ist auch nichts, was ich unterstützen will.“ Jeder, der damit nicht einverstanden sei, habe die Pflicht, sich gegen den neuen Überwachungsstaat zu wehren.

JF: Snowden: Wir haben Stuxnet gebaut  (8.7.)

Ergänzung:

http://www.mmnews.de/index.php/etc/13776-hochhuth-vergleicht-usa-mit-nazi-regime  (10.7.):

Rolf Hochhuth in der F.A.Z.: Edward Snowden Asyl gewähren! Während der Nazizeit habe die deutsche intellektuelle Elite von der Großzügigkeit anderer Länder profitiert und nur so Hitlers Herrschaft überlebt. …

… „Doch wie jeder einzelne, so ändert sich auch jedes Volk innerhalb von 70 Jahren: Jenes Amerika, das mit seinem Marshall-Plan das zertrümmerte Europa 1945 wiederaufbaute – ist völlig unvergleichbar mit dem heutigen.“ …

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