Gustl Mollath ist „verrückt“

Hans Ulrich Gresch: http://pflasterritzenflora.ppsk.de/ist-mollath-verruckt/  (5.8.):

  • Ist es denn nicht verrückt, sich mit den Mächtigen in Bayern anzulegen und ihnen ihre Schwarzgeldgeschichten vermiesen zu wollen?
  • Ist es denn nicht verrückt zu glauben, dass man in diesem Bundesland ohne mächtige Seilschaften im Hintergrund mit solchen Absichten ungeschoren davonkäme?
  • Ist es denn nicht verrückt, wenn man schon einmal in der Psychiatrie sitzt, keine “Krankheitseinsicht” vorzutäuschen, sich der Therapie zu entziehen und sich so die Chance zur schnellen Entlassung zu verbauen?

Das ist schon verrückt, oder? Das ist sogar weiß Gott verrückter, als die Polizei erlaubt, nicht nur in Bayern, auch anderswo. Gustl Mollath ist zweifelsfrei “verrückt” – und wir können froh und dankbar sein, dass es solche “Verrückten” gibt.

  • Dank dieser “Verrücktheit” wissen nicht mehr nur ein paar Eingeweihte, sondern eine Vielzahl, eine Mehrheit der Bürger, was es mit dem Rechtsstaat auf sich hat, dass er durchaus selektiv ist.
  • Dank dieser “Verrücktheit” wissen nicht mehr nur ein paar Eingeweihte, sondern eine Vielzahl, eine Mehrheit der Bürger, was es mit psychiatrischen Gutachten auf sich haben kann.
  • Dank dieser “Verrücktheit” wissen nicht mehr nur ein paar Eingeweihte, sondern eine Vielzahl, eine Mehrheit der Bürger, wie es, zumindest im Großen und Ganzen, im Maßregelvollzug zugeht.

Für diese “Verrücktheit”, von der wir alle profitieren, hat Gustl Mollath einen hohen Preis bezahlt. Manche wundern sich, dass er trotz alledem, trotz Jahren hinter psychiatrischen Gittern, geistig immer noch so gesund wirkt. Manche Psychiater meinen, er dissimuliere damit seine “Krankheit” nur, er sei ein besonders gerissener Wahnsinniger.

Doch Fakt ist, dass solche “Verrückten” in aller Regel charakterstarke und gut geerdete Menschen sind, die etwas aushalten, sonst ließen sie nämlich keine Neigung erkennen, sich zu derlei “Verrücktheiten” hinreißen zu lassen.

… Gerade jetzt also ist der Mut zur “Verrücktheit” notwendiger denn je. Wir sollten uns klarmachen, dass die Psychiatrie in ihrem unermüdlichen Kampf gegen “psychische Krankheiten” auch all jene Verrückten einschüchtert oder einzuschüchtern versucht, die eine demokratische Gesellschaft unbedingt braucht, um nicht zu einer Fassaden-Demokratie zu verkommen. Auch wenn sie nicht, wie im Fall Mollath, aktiv involviert ist, genügt ihre bloße Existenz, um “Verrückten” den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Und machen wir uns nichts vor: Wenn erst einmal der Fall Mollath ausgestanden ist, dann werden viele, die jetzt wach geworden sind, wieder in Tiefschlaf versinken. Die para-medizinische Pseudo-Wissenschaftlichkeit der Psychiatrie ist das Tarnmäntelchen für eine ihrer wesentlichen Funktionen, die darin besteht, den Trend zur Konformität aufrecht zu erhalten und zu verstärken. Sobald Mollath keine Schlagzeile mehr wert ist, wird sich in den Medien das Marketing des psychiatrisch-pharmaökonomischen Komplexes wieder durchsetzen und die meisten der jetzt noch Kritischen werden sich einlullen lassen.

Siehe auch: https://kreidfeuer.wordpress.com/2013/07/24/fall-gustl-mollath-wiederaufnahmeantrag-abgelehnt/

Ergänzung 6.8.2013:

Hans Ulrich Gresch: http://pflasterritzenflora.ppsk.de/soll-mollath-lugen/  (29.7.):

… Gustl Mollath ist offenbar kein guter “Patient”. Er ist nicht “krankheitseinsichtig”, er lässt sich nicht diagnostizieren, er lässt sich nicht “behandeln”, er zeigt keine Besserung seines Zustandes. Unmöglich kann die Psychiatrie von sich aus seine Entlassung empfehlen. Das wäre nicht gut für die Moral. Andere “Patienten” könnten sich daran ein Beispiel nehmen.

Das geht nicht. Grundsätzlich darf nur entlassen werden, wer sich als gebessert zeigt, wer der Psychiatrie eine gute Arbeit attestiert. Da es keinerlei objektiven Maßstab dafür gibt, kommt es darauf an, dass der Patient das ganze Spektrum der Unterwerfungsgesten zeigt, die eine Remission unter Beweis stellen. Doch Gustl Mollath zeigt ungebrochen Widerstand. Und nicht genug damit: Er zeigt seinen Widerstand in sozialverträglicher Form, erweckt den Eindruck, gar nicht irre zu sein. Er randaliert nicht, er schäumt nicht, keine Spur von Raserei, keine Aussetzer, nichts.

So kommt er vermutlich nie frei, es sei denn, das Bundesverfassungsgericht spricht ein Machtwort. Oder gar der Europäische Gerichtshof. Die Richter müssen sich allerdings klarmachen, was auf dem Spiel steht. Gustl Mollath ist der prominenteste Patient des Maßregelvollzugs aller Zeiten. Wenn so einer ohne die erforderlichen Unterwerfungsgesten freikommt, wenn so einer sich hinterher sogar beklagt und Bücher schreibt, dann hat das natürlich Auswirkungen auf die Moral der Truppe. Nicht auszudenken. …

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2 Antworten zu Gustl Mollath ist „verrückt“

  1. heureka47 schreibt:

    Wir können Gott „auf Knien“ danken – für jeden „Verrückten“ in dieser normal irren zivilisierten Gesellschaft.
    Ich unterscheide zwischen „verrückt“ und „irre“:
    „Verrückt“ sein kann relativ sein. Es kommt darauf an, woher bzw. wohin verrückt man.
    „Irre“ aber ist absolut. Wer irre ist, irrt – bzw. ist ver-irrt, ohne Orientierung.
    Aus dem Irre-Sein zu verrücken, ist möglich. Das ist dann der Weg der Heilung.

    Mein Normal-Irre-Sein habe ich erst mit Hilfe meiner sehr schweren Krise 1987 wahrnehmen können – nach 40 Jahren des Versuchs, „normal“ zu leben. Was ich schon als Kind quälend fand. „Schule“ zum Beispiel war Quälerei – um nicht zu sagen „Folter“.

    Und als ich mit 16 aus der Schule kam, sagte mir eine innere Stimme, daß man mir etwas ganz Wichtiges über das Leben – noch – nicht gesagt hatte. Irgendwie verstand ich nicht, um was es hier gehen sollte. Aus heutiger Sicht war das damals die Frage nach dem „Sinn des Lebens“.

    1991 hatte ich nach einer Schlüssel-Erfahrung (der Angst-Überwindung) ein erleuchtungshaftes Erlebnis mit dem Effekt radikaler innerer Befreiung. Und 1992 beschloß ich, den Ursachen des „Normalen Irreseins“, der „Kollektiven (Zivilisations-)Neurose“ / „Krankheit der Gesellschaft“ auf den Grund zu gehen bzw. nach den Ursachen grundlegender Gesundheit zu forschen.
    Und wurde fündig!

    Ab 1994 engagierte ich mich ehrenamtlich in der Selbsthilfebewegung „psychisch kranker“ Menschen und lernte an vorderster Front – auch im engen Kontakt mit den „Profis“ der Psychiatrie – die „Szene“ und die Bedingungen / Grundlagen kennen.
    Bereits 2003/2004 schrieb ich einen mehrseitigen psychiatrie-kritischen Zeitschriften-Beitrag unter dem Titel „Lieben Sie Ihre Patienten?“, der zuerst in den „Sozialpsychiatrischen Informationen“ (Psychiatrie-Verlag) Nr. 1/2005 veröffentlicht wurde. Heute nachzulesen auf meiner HP Seelen-Oeffner.

    Seit damals bezeichne ich mich als „bekennenden Nicht-Normalen“. Denn die Normalität der zivilisierten Gesellschaft ist auch aus meiner Sicht eine Krankheit bzw. Ausdruck einer schweren Krankheit. Das legen ja auch etliche Schriften diverser Autoren nahe, deren Titel ich seit 20 Jahren in einer Liste zusammengetragen habe – innerhalb von meinem „Arbeitsblatt Kollektive Zivilisations-Neurose“. Auch zu finden auf meiner HP.
    „Die Pathologie der Normalität“ von Erich Fromm ist dort ebenso verzeichnet wie „Der Wahnsinn der Normalität“ von Arno Gruen.

    Wobei ich auch an dieser Stelle darauf hinweisen möchte, daß der Begriff „Wahn“ bzw. „Wahn-Sinn“ von der großen Mehrheit der Psychiater und der Bevölkerung heute falsch verstanden / benutzt wird:
    „W-AHN“ ist ein uraltes Wort, das seine Wurzel(n) in der Zeit vor dem Einfluß der Römer auf die Germanen hat. Der Wortteil „AHN“ meint den „Urvater“, in diesem Fall den himmlischen, göttlichen, Ur-Vater; das göttliche Bewußtsein.
    Der Buchstabe „W“ vor dem „AHN“ steht für das „Ungeklärte“, für die „Frage“ nach „Klärung“ – wie bei ALLEN deutschen Fragewörtern! Das hat System – und ist äußerst logisch! Erstaunlich, daß sich diese – ich meine: göttliche – Logik über die Zeiten erhalten konnte.

    Ähnlich wie die „AHN-UNG“ kommt der „W-AHN“ aus dem „Unbewußten“. Bei der Ahnung ist üblicherweise sofort bekannt, worauf sie sich bezieht. Der „W-AHN“ jedoch ist deutungs-bedürftig. Denn er kommt in symbolischer „Sprache“ daher, in der Sprache des Unbewußten, der Träume und Visionen, der Natur und Schöpfung, der Märchen, Legenden, Sagen und – Bibelgeschichten. Auch die sind – wenn sie echt sind – deutungsfähig und vermitteln eine tiefe, meist sehr allgemeine, Weisheit.

    Diese „Symbolsprache“ zu lernen, zu verstehen und dann selbst Symbole – richtig! – deuten zu können funktioniert NICHT mit dem rationalen Denken auf der Basis des „Niederen Selbst“ / „Ego“ allein! Es bedarf der Fähigkeiten des „Höheren / wahren Selbst“, der höheren, feinstofflichen, Bewußtseins-Ebene und ihrer besonderen Qualität(en), um symbolträchtige Inhalte zu erkennen und korrekt zu deuten.
    Deshalb gibt es auch so wenige Menschen – vor allem in der zivilisierten Gesellschaft – die das (richtig) können. Denn durch die „Kollektive (Zivilisations-)Neurose“ ist die allergrößte Mehrheit der Menschen der zivilisierten Gesellschaft von der höheren Bewußtseins-Ebene, dem eigentlichen Erwachsenen-Bewußtsein, abgetrennt. Diese „Abtrennung“ ist m.E. das, was in den biblischen Schriften mit „Sünde“ bezeichnet wird.
    Der typische zivilisierte Mensch ist innerlich, im Bewußtseins-Bereich, abgetrennt von seinem wahren Selbst / Sein, abgetrennt von dem göttlichen Bewußtsein in sich selbst; und damit abgetrennt von der Verbindung(smöglichkeit) zum universellen göttlichen Bewußtsein.
    Deshalb sind die typischen zivilisierten Menschen orientierungslos in der Welt, sind regelmäßig „irre“, und wissen lt. Jesus (am Kreuz) „nicht, was sie tun“. Und Heinz von Förster, einer der Autoren auf meiner o.g. Liste, schreibt ähnlich, daß diese Menschen auch nicht wissen, was sie tun SOLLEN. Sie wissen nicht, um was es (eigentlich) geht. Und, sie verlieren nach und nach das Bewußtsein (dafür). Das weist auf die kontinuierliche bzw. in Schüben verlaufende Entwicklung zum Schlimmeren bei dieser Krankheit.

    Der zivilisierten Gesellschaft, der Menschheit, der Natur auf diesem Planeten und der gesamten Schöpfung wäre folglich von Herzen zu wünschen, daß alle diese Irren baldmöglichst „verrückt“ würden und damit grundlegende Heilung einträte.

  2. Ross Reyes schreibt:

    Der Fall Gustl Mollath (http://www.br.de/nachrichten/mittelfranken/gustl-mollath-110.html) – gibt einen schönen Überblick über den Fall und die bisherige Berichterstattung. Auch interessant: Einige Originaldokumente (http://www.br.de/nachrichten/mittelfranken/gustl-mollath-dokumente-100.html) zum Download.

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