Schweiz: Volksinitiative „Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache“ abgelehnt

Bedrückend:
http://www.katholisches.info/2014/02/09/schweiz-krankenkassen-sollen-weiterhin-abtreibung-bezahlen-lebensrechtsinitiative-abgelehnt/:

Mit deutlicher Mehrheit lehnte das Schweizer Stimmvolk die Volksinitiative „Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache – Entlastung der Krankenversicherung durch Streichung der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Grundversicherung“ ab. 70 Prozent der Wähler wollen, daß auch weiterhin die Krankenkassen die Bezahlung von Abtreibungen in der Pflichtversicherung miteinschließen. Dagegen hatte eine Initiative von Lebensrechtlern mehr als 110.000 Unterschriften gesammelt. Genug, um eine Volksabstimmung zu initiieren. Am Sonntag, dem 9. Februar fand die Abstimmung statt.

Christliche Volkspartei schlug sich auf Seite der Abtreibungsbefürworter …

… Selbst die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) verweigerte der Initiative ihre Unterstützung. … Bischof Vitus Huonder von Chur bemühte sich als einziger vernehmbar um eine Unterstützungserklärung für die Volksinitiative. Ohne Erfolg. Die ungeborenen Kinder sind für die Mehrheit der Schweizer Bischöfe kein Thema. Auf mehr als eine salbungsvoll-gewundene Erklärung konnten sich die Bischöfe nicht einigen. Bischof Huonder unterstützte darauf im Alleingang die Volksinitiative. Mit ein Grund, weshalb er derzeit als zu katholischer „Störenfried“ unter Beschuß der anderen Bischöfe und von Kirchenfunktionären des Staatskirchenwesens geraten ist. …

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Ergänzung 26.2.2014:

Felix Honekamp: http://www.freiewelt.net/man-kann-nicht-gleichzeitig-liberal-und-fur-abtreibungen-sein-10025566/   (25.2.):

Wenn es um das Thema Abtreibungen geht, werden Diskussionen sehr schnell grundsätzlich. Unversöhnlich stehen sich jedenfalls die politischen Akteure gegenüber, bei denen einen bisweilen der Verdacht beschleicht, um die ungeborenen Kinder oder die Mütter dieser Kinder geht es nur noch am Rande. Es geht darum, Recht zu haben, Recht auch zu bekommen. Das möchte ich natürlich nicht jedem vorwerfen, der sich gegen Abtreibungen einsetzt, darunter sind – das weiß ich aus eigener Erfahrung – wunderbare Menschen, die tatsächlich um die getöteten Kinder trauern.

Im politischen Prozess verbietet man sich aber bisweilen solche Gefühle und es geht plötzlich statt um Kinder um christliche Kultur, das Selbstbestimmungsrecht der Frau und darum, ab welchem Stadium ein Mensch eigentlich ein Mensch ist. Eine rationalisierte Sicht, mit der viele von denen, die emotional betroffen sind, die wirklich um Kinder trauern, oder die mit einer Schwangerschaft vor den Ruinen ihrer Existenz zu stehen meinen, nicht viel anfangen können.

Und trotz dieser Einleitung ist eine solche Sicht, drei Schritte zurückgetreten, notwendig, um sich selbst und seine Sichtweisen auch mal wieder zu prüfen. Und wenn es um Politik geht, dann wird es niemanden wundern, dass ich persönlich mich hier mit der Frage des Liberalismus oder des Libertarismus auseinandersetzen muss, gesellschaftliche Richtungen, die mir am nächsten liegen. In diesem politischen Umfeld ist aber die Frage nach der Legitimität oder Illegitimität von Abtreibungen – oder aus libertärer Sicht: des Lebensrechts eines Embryos im Konflikt mit dem Selbstbestimmungsrecht einer Frau – keineswegs beantwortet. Nicht wenige Libertäre greifen dabei auf ein Vokabular zurück, dass mich unwillkürlich schaudern lässt:

Da wird von einer Mutter als „Wirtin“ eines Embryos gesprochen, von einer Symbiose, auch das Wort vom Parasiten habe ich in diesem Zusammenhang schon gelesen. Das macht einerseits deutlich, wie wenig sich ein gesellschaftspolitisches Konstrukt eignet, alle moralischen Fragen zu beantworten; darin ist man immer wieder auf ein religiöses oder eben areligiöses Weltbild zurückgeworfen, sodass Libertäre auf die gleiche moralische Frage durchaus andere Antworten geben können.

Einen interessanten Beitrag zu dieser Diskussion hat jetzt der Chefredakteur des Schweizer Magazins „Die Weltwoche“ [Roger Köppel] in seinem auch im Internet veröffentlichten Editorial der Ausgabe vom 22. Januar vor dem Schweizer Volksbegehren, das sich mit der Frage beschäftigte, ob Abtreibungen weiter von Krankenkassen finanziert werden dürfen, geliefert.

Er beantwortet die Frage, ob Liberalismus mit Abtreibungen vereinbar ist mit einem eindeutigen „Nein“. Und er bezieht sich dabei explizit nicht auf einen religiösen Standpunkt (ob der in seinem Hinterkopf mitschwingt, mag aber sein), sondern auf die Frage des Existenzrechts eines Menschen. Der Libertarismus hat seinen Schwerpunkt im Eigentumsrecht, insbesondere aber in der Freiheit von der Einschränkung des eigenen Existenzrechts. So startet Köppel auch in seine Argumentation:

Der Liberale achtet das individuelle Leben, höher noch als das Eigentum, dessen Unversehrtheit er ebenfalls schützt, so wie ihm die Unversehrbarkeit des Menschen ein hohes politisches, ja ethisches Ideal bedeutet. Mit anderen Worten: Der Liberale setzt sich für das Leben ein – in möglichst freier, selbstbestimmter Form.

Diese definitorische Grundlage ist es, die Befürworter zumindest relativieren müssen, wenn sie das Existenzrecht eines Menschen von seiner Konstitution abhängig machen, also beispielsweise von seiner autarken Lebensfähigkeit oder seiner Fähigkeit, einen Willen zum Ausdruck zu bringen.

Die Abtreibung ist ein mit der liberalen Philosophie nicht vereinbarer Übergriff der Mutter auf das Leben ihres noch nicht geborenen Kindes. Die Behauptung, dass der Mensch im embryonalen Zustand noch kein Mensch sei, verfängt nicht. Es ist zwar richtig, dass sich der Embryo im entscheidenden Zeitpunkt noch nicht zum Tatbestand seiner drohenden Abtreibung äußern kann. Aber ist ein im Entstehen begriffenes Individuum so umfassend «Eigentum» der Mutter, dass die Mutter damit machen kann, was sie will? Bedeutet Schwangerschaft Leibeigenschaft für das ungeborene Kind? Kann die Verantwortung, die eine Mutter ihrem ungeborenen Kind gegenüber zweifellos trägt, auf die Selbstermächtigung hinauslaufen, das Leben dieses noch ungeborenen Kindes zu beenden? Ein Liberaler wird diese Fragen nicht reinen Gewissens mit Ja beantworten können.

Hier liegt für den Liberalen der Hase im Pfeffer: Wie weit kann eine Frau über ihren eigenen Körper verfügen, wenn sie mit dieser Verfügung den Körper, die Existenz eines anderen Menschen, wie klein und unselbständig er auch sein mag, beeinflusst?

Aus religiöser, christlicher Sicht ist die Frage beantwortet. Der Mensch entsteht mit der Zeugung, er ist ein Geschöpf Gottes von Anfang an mit allen Potenzialen, ausgestattet mit der Liebe Gottes, die die Existenz dieses Menschen will. Was ist der Mensch, dass er sich dagegen positioniert. Aber der liberale, nicht religiöse Mensch? Köppel argumentiert hier ähnlich, sodass augenscheinlich wird, wieweit der Liberalismus mit der Wertschätzung des Lebensrechtes mit dem Christentum und seiner Wertschätzung des Menschen als Gottes Schöpfung kompatibel sind:

Die Tatsache, dass sich der Mensch zum Zeitpunkt einer möglichen Abtreibung erst in einer Art Rohbau befindet, in dem sich der Körper als Gehäuse seiner Seele formt, bildet keine Rechtfertigungsgrundlage dafür, diesen werdenden und irgendwann autonom werdenden Menschen umzubringen. Dass sich ausgerechnet die sich als liberal empfindenden Gesellschaften heute so vehement für das Recht der Frauen auf Abtreibung einsetzen, ist ein Fundamentalwiderspruch zum wichtigsten liberalen Grundprinzip, dem aus nichtreligiösen Gründen das individuelle Leben heilig ist. Liberalismus kann nie bedeuten, dass eine Gruppe von Menschen ihre Existenzrechte gegenüber anderen Menschen so weit verabsolutiert, dass diesen ihr Existenzrecht verweigert wird. Deshalb kann man nicht gleichzeitig liberal und für Abtreibungen sein.

Dem zu widersprechen setzt voraus, das Lebensrecht eines Menschen an die – um in der Diktion zu bleiben – Fertigstellung und Funktionsfähigkeit des Hauses Mensch zu koppeln. Hat ein Mensch, der seine Autonomie aufgrund Alter oder Erkrankung verloren hat weniger Lebensrecht als ein in voller Kraft stehender leistungsfähiger junger Mensch? Man darf durchaus Angst haben vor der Antwort auf diese Frage von Menschen, die einen Embryo als Parasiten bezeichnen. Wer sich aber als liberal oder libertär bezeichnet, muss sich dann zumindest die Frage gefallen lassen, mit welchen gesellschaftlichen und mit liberalen Ansätzen kompatiblen Argumenten er das Recht auf Selbsteigentum und das Existenzrecht eines Menschen beschneiden will. Ich wage die Prognose: es gibt ein solches Argument nicht – und wer die ablehnenden Kommentare zu diesem Editorial von Roger Köppel liest, findet dort im Wesentlichen auch nur Ideologie und keinen Liberalismus!

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