Grexit? Tsipras quadriert den Kreis

Stephan Baier: http://www.die-tagespost.de/Kommentar-Die-Wahrheit-als-Tagesmenue;art456,162067 (10.7.):

Das unüberhörbar finale Ultimatum der in dieser Frage einmütigen Europäer hat der griechische Ministerpräsident dann doch nicht ungenutzt verstreichen lassen. Alexis Tsipras hat einen Spar- und Reformvorschlag geliefert. Nach den Gesetzen der Logik – die in der Heimatstadt von Aristoteles derzeit nicht hoch im Kurs stehen – lässt Tsipras‘ Plan schon bei flüchtiger Betrachtung nur drei Schlüsse zu:

  • Entweder belügt Tsipras sein eigenes Volk, weil er jetzt Maßnahmen anbietet, die er zuvor via Referendum vom Volk verwerfen ließ.
  • Oder er belügt die Partner in Europa, indem er ihnen frisches Geld entlockt mit Hilfe von Plänen, welche er gar nicht umsetzen will.
  • Oder er belügt beide: sein Volk und den Rest Europas.

Vielleicht belügt er auch sich selbst, indem er sich einbildet, mit dieser Taktik die nächste Klippe, und mit der entgegengesetzten die übernächste nehmen zu können. „Wahrheit ist ein bürgerliches Vorurteil“, sagte Lenin. Gemäß dieser Maxime gibt Tsipras dem europäischen Establishment, das er für die Krise verantwortlich macht, die ihm heute gerade opportun scheinende „Wahrheit“. …

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Ergänzung 12.7.2015:

https://juergenelsaesser.wordpress.com/2015/07/11/tsipras-verraet-sein-volk-und-lafontaine-widerspricht-wagenknecht/:

In der Linken trennt sich, auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise, die Spreu vom Weizen.

Das ist Verrat, Verrat, Verrat: Fünf Tage nach dem “Sieg des Volkes” (COMPACT) im Referendum hat Tsipras dieses Volk schmählich verraten und betrogen: Er hat ein Verhandlungspaket zum Drinbleiben im Euro vorgelegt, das härtere Bedingungen für Einsparungen von Griechenland fordert als das vom Volk abgelehnte. Bezeichnenderweise haben französische Experten dieses “griechische” Angebot formuliert.

Gestern Abend ließ Tsipras das Angebot im Parlament durchboxen, mit den Stimmen der oppositionellen Parteien (Potami, Pasok, ND) und gegen zehn Nein-Sager in der eigenen Fraktion. Diese, angeführt von Energieminister Lafazanis und dem Abgeordneten Lapavitsas, verteidigen … die Würde des griechischen Volkes und werben seit Langem für den Ausstieg aus dem Euro-Vampir-System. Auch die Kommunisten und die Goldene Morgenröte dürften im Parlament gegen den Tsipras-Verrat gestimmt haben. Vor dem Parlament demonstrierten Tausende mit Oxi-Parolen gegen diese schmähliche Unterwerfung unter die EU-Diktatur – aber die Wende kam zu jäh, um ähnliche Massen wie letztes Wochenende auf die Straße zu bekommen. Tsipras wird von seinem Verrat übrigens nicht profitieren. Das Finanzkapital wird ihn trotzdem stürzen, vielleicht sogar ermorden, weil er ihnen Angst gemacht hat, wenn auch nur zum Schein. Der Feind liebt den Verrat, nicht den Verräter. …

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Ergänzung 13.7.2015:

http://www.medrum.de/content/eurostaaten-beschliessen-griechenland-weitere-hilfen-anzubieten (13.7.)

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https://jungefreiheit.de/politik/ausland/2015/eurozone-einigt-sich-auf-drittes-rettungspaket-fuer-griechenland/ (13.7.)

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Michael Paulwitz: https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2015/mit-volldampf-auf-den-eisberg/ (13.7.):

Hat irgend jemand etwas anderes erwartet? Dramatische Posen, zur Schau getragene „feste“ Haltungen, die von vornherein zum Einschmelzen bestimmt waren, Letzte-Chance-Raunen und am Ende eine Marathon-Nachtsitzung mit Durchbruch am Morgen, der als Ergebnis eines harten und ehrlichen Ringens verkauft und doch wieder nur ein fauler Kompromiß ist: Die Einigung auf Eckpunkte für ein neues, drittes „Hilfspaket“ für das seit fünf Jahren bankrotte Griechenland folgt der üblichen Choreographie europäischer Gipfelbeschlüsse. …

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Ergänzung 14.7.2015:

http://www.freiewelt.net/nachricht/immer-mehr-widerstand-gegen-tsipras-10062712/ (14.7.):

In Griechenland hat sich Ministerpräsident Tsipras mit seinem Referendum gegen Sparauflagen keinen Gefallen getan, um wenige Tage später dann doch zuzustimmen. In Athen wachsen die Proteste. Immer mehr Abgeordnete seiner Koalition fallen ab.

http://www.freiewelt.net/nachricht/teile-der-union-wollen-merkel-nicht-laenger-folgen-10062721/ (14.7.):

Auch in der Union wächst der Unmut über immer neue Milliardenpakete für Athen. Schon vor Monaten kündigten 100 CDU/CSU-Abgeordnete an, nicht länger mehr mitmachen zu wollen, wenn Merkel weitere Hilfen als alternativlos darstellt.

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http://www.freiewelt.net/nachricht/finnen-diskutieren-immer-mehr-euro-austritt-10062684/ (13.7.):

Finnlands Regierung aus Zentrum und Wahren Finnen sieht für Griechenland nur noch den Grexit als Lösung und lehnt jegliche weitere Gelder ab. Selbst ein eigener Austritt aus der Euro-Zone wird schon diskutiert.

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Ergänzung 15.7.2015:

http://www.andreas-unterberger.at/2015/07/griechenlands-neuester-trick-auf-dem-weg-in-europas-verderben/ (11.7.):

Die griechischen Defraudanten spielen mit Europa Katz und Maus. Und zumindest die – ja ebenfalls schuldengierigen – Sozialisten aus Frankreich, Italien und Österreich spielen dabei voll mit. Dabei gibt es gleich mehrere zwingende Gründe, warum der jüngste griechische Vorschlag unbedingt abzulehnen wäre.

Griechenland hat einfach zu oft versprochen, Besserung und Reform abgekündigt und dann nicht gehalten. Es hat zu oft gelogen, sodass dem in letzter Minute vorgelegten Papier keinesfalls zu trauen ist. Bezeichnend ist ja, dass dieses plötzliche Last-minute-Papier nicht aus der Feder der griechischen Chaos-Regierung stammt, sondern vor allem von französischen „Beratern“ und von Kommissionspräsident Juncker (der ja zuvor als Chef der Euro-Gruppe selbst in die Entwicklung schuldhaft involviert war).

Schon aus diesem Grund wird das nunmehr versprochene Paket in Griechenland nie bona fide in funktionierende Gesetze umgesetzt werden. Für die große Mehrheit der griechischen Politiker ist das ein Diktat, ein erpresstes, daher nicht einzuhaltendes Versprechen, das man nur abgegeben hat, um an die nächsten 50 Milliarden Euro zur Weiterfinanzierung des griechischen Betriebs heranzukommen. Und um kurzfristig weiter von der EZB mit ELA-Geldern versorgt zu werden, die den Geldkreislauf am Leben erhalten sollen. Denn im Grund enthält das Last-minute-Papier alles, was Griechenland im letzten halben Jahr als völlig unakzeptabel bezeichnet hat. …

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http://www.andreas-unterberger.at/2015/07/beschaemende-rolle-osterreichs/ (13.7.):

Sieben der neunzehn Euro-Länder können sich mittlerweise ganz offen einen Grexit, den Austritt Griechenlands aus dem Euro, vorstellen. Deutschland, Finnland, die Niederlande, die Slowakei, Litauen, Lettland und Estland. Das zeigen die fast rund um die Uhr gehenden diversen Sondersitzungen der Euro-Länder. (Mit nachträglicher Ergänzung) …

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https://jungefreiheit.de/pressemitteilung/2015/dirk-meyer-nein-zum-dritten-rettungspaket/ (15.7.):

… „Griechenland ist nach wie vor insolvent. Nach den Kriterien des Wirtschaftsrechts würde jeglicher weiterer Kredit als schwere Untreue, Bilanzfälschung und Insolvenzverschleppung zu werten sein“, so Meyer.

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https://jungefreiheit.de/politik/2015/afd-startet-petition-gegen-weitere-griechenland-hilfen/ (15.7.):

BERLIN. Die Alternative für Deutschland (AfD) hat eine Petition gegen weitere Finanzhilfen an Griechenland gestartet. „Die Milliardenausgaben der Geberländer sind nur Kosten zum Zeitgewinn bis zum Staatskonkurs, der späteren Regierungen beziehungsweise Generationen von Steuerzahlern überlassen werden soll“, schreibt die Partei.

Aus diesem Grund handele es sich bei den Rettungspaketen „um ein politisches Projekt, das sich gegen die vitalen Interessen breiter Bevölkerungsschichten richtet“. Dies sei nur möglich, weil die handelnden Personen nicht für ihre Entscheidungen haften müßten. „Der Begriff der ‘politischen Verantwortung’, der häufig in diesem Zusammenhang gebraucht wird, ist ohne jeden Inhalt.“

… Zuvor hatte [AfD-Sprecher Jörg] Meuthen die Euro-Währungsunion bereits scharf kritisiert. „Die Wähler in Deutschland merken, daß sie von der Bundesregierung gefangen genommen wurden. Der Euro ist wie Guantánamo: Man kann rein, aber nie wieder raus.“ …

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Ergänzung 19.7.2015:

Matthias Heitmann: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/von_wegen_eu_staatsstreich_syriza_putscht_gegen_das_eigene_volk (15.7.):

Alexis Tsipras lernt schnell: Für Regierungen, die sich vor dem Wählervotum oder vor dessen Umsetzung fürchten, ist die Europäische Union der ideale Rettungsschirm.

Seit der „Einigung“ zwischen dem griechischen Premierminister Alexis Tsipras und den Geldgebern von EU und IMF macht in den sozialen Netzwerken und auf Twitter die Rede vom Staatsstreich gegen Griechenland die Runde. …

… Anstatt die Unabhängigkeit Griechenlands gegenüber den Geldgebern der EU und des Internationalen Währungsfonds zu verteidigen, hat er das Land endgültig in die völlige politische Abhängigkeit von EU und IMF abrutschen lassen, was ihn aber nicht daran hindert, für eben diese Politik nun im griechischen Parlament um Unterstützung zu buhlen. Dass er keine Probleme damit hat, sich die erforderlichen Mehrheiten auch außerhalb seiner eigenen Regierung unter jenen zu suchen, die im Januar von den Wählern entmachtet wurden, kann da nicht mehr verwundern. Brendan O’Neill, Chefredakteur des britischen Online-Magazins „Spiked“, bringt auf den Punkt, was von einer solchen Politik zu halten ist: „Die Unehrlichkeit ist atemberaubend, der Zynismus überwältigend. Die Euro-Institutionen mögen dem griechischen Volk mit der Faust direkt ins Gesicht geschlagen haben, aber Syriza hat etwas noch Schlimmeres getan: Es hat ihm von hinten das Messer in den Rücken gerammt.“

Die Folgen dieser verlogenen Syriza-Strategie werden dramatisch sein: nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in politischer Hinsicht. Und auch der Glaube und das Vertrauen der Griechen in die Demokratie werden verheerenden Schaden nehmen. Denn das von Syriza zunächst anberaumte und dann doch im EU-Stil vollständig ignorierte Referendum behandelt die griechischen Wähler wie Kleinkinder, die man Demokratie spielen lässt, um sich selbst einen Freibrief auszuschreiben für die komplette Aufgabe der eigenen Souveränität. Schon jetzt dämmert es den Griechen, dass das „Agreekment“ keines ist, in dem ihren Interessen Rechnung getragen wurde. Vielmehr offenbart es, dass Tsipras & Co. trotz (oder gerade wegen?) ihres gepflegten Images als coole, freche, intellektuelle, krawattenfreie und motorradfahrende Che-Guevara-2.0-Wiedergänger in Sachen Demokratieverständnis und Wählerentmündigung voll auf Brüsseler Linie fahren.

… Der Euro ist kein wirtschaftliches, sondern ein politisches Projekt, das die Vereinheitlichung Europas auf der Basis der Überwindung demokratisch legitimierter staatlicher Souveränität zum Ziel hat. …

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https://juergenelsaesser.wordpress.com/2015/07/13/merkel-hat-das-deutsche-volk-verraten-tsipras-das-griechische/:

… Die Vereinbarung von heute Nacht umfasst ein drittes Hilfspaket in Höhe von über 80 Milliarden Euro, wovon Deutschland für 27 Prozent garantiert. Das hatte Merkel immer ausgeschlossen, jetzt hat sie zugestimmt. Das ist Verrat an ihren Wählern, Verrat an ihrer Partei, Verrat am Steuerzahler, Verrat am deutschen Volk. Sie wird trotzdem damit durchkommen, denn in ihrer Bundestagsfraktion überwiegen die Kriecher. Auch Schäuble, der mit einem Grexit geliebäugelt hat, wird nicht aufmucken.

Tsipras hat einer totalen Kapitulation zugestimmt. Alles, wofür er noch bis vor einer Woche gekämpft und eine satte Mehrheit im Referendum bekommen hat, ist verloren. Neben Mehrwertsteuererhöhungen und Rentenkürzungen sind zwei Punkte besonders demütigend: Alle Syriza-Gesetze seit seinem Amtsantritt Ende Januar werden kassiert. Alle neuen Gesetze muss er künftig mit der Troika abstimmen.

Und: Griechische Staatsvermögenswerte – Immobilien, Rücklagen, Staatsbetriebe, Werften, Eisenbahn, Landbesitz – werden zur Schuldentilgung in einen Fonds eingebracht. Alles muss verkauft werden, um die Schulden zu bedienen. Der griechische Staat wird einfach verkauft. Der letzte Punkt wird abgemildert durch längere Fristen, die Tsipras zum Verkauf zugebilligt wurden. Aber der erste Punkt – das Einkassieren aller Sozialreformen seiner Regierung – wird unmittelbar fällig. Damit wird er gezwungen, seinen Wählern, seinem Volk ins Gesicht zu spucken. Wie konnte er sich darauf einlassen??  …

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Ergänzung 31.7.2015:

http://www.focus.de/finanzen/news/staatsverschuldung/tsipras-bestaetigt-grexit-plaene-ja-ich-habe-den-auftrag-erteilt_id_4851025.html (31.7.):

Ministerpräsident Alexis Tsipras hat sich vor wenigen Minuten zum ersten Mal über die Grexit-Pläne von Ex-Minister Varoufakis geäußert. Im Parlament sagte Tsipras: „Ja, ich habe den Auftrag erteilt, einen solchen Plan im Notfall vorzubereiten.“ Zudem sagte Tsipras, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bereits 2012 solche Pläne in der Öffentlichkeit geäußert habe. …

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Ergänzung 22.8.2015:

http://www.freiewelt.net/nachricht/tsipras-ist-zurueckgetreten-10063225/ (21.8.):

Am Donnerstagabend hat Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras im Fernsehen seinen Rücktritt verkündet. Kurz vorher hatte der ESM weitere 26 Milliarden Euro freigegeben. …

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