Sopron 19.8.1989: Paneuropa-Picknick

https://www.tt.com/politik/europapolitik/15949547/paneuropaeisches-picknick-als-sich-das-tor-in-die-freiheit-oeffnete (19.8.):

Vor 30 Jahren fand an der ungarisch-österreichischen Grenze bei Sopron ein Friedensfest der Paneuropa-Bewegung statt, das die Welt bewegte. Eine symbolische Grenzöffnung, die Hunderten DDR-Bürgern die Flucht ermöglichte.

St. Margarethen, Sopron – Mit dem Hammer seines Dienstwagens schlug Johann Göltl das verrostete Schloss des seit Jahrzehnten ungeöffneten Grenztors auf. Arglos rechnete der damalige Chefinspektor des Zolls mit einigen Österreichern und Ungarn, die nahe der Grenze an einem gemeinsamen Picknick der Paneuropa-Union teilnehmen sollten. Auch der ungarische Oberstleutnant Árpád Bella ahnte nichts. Beide wurden Schlüsselfiguren in einem brisanten und historischen Moment. „Statt der Delegationen kamen die Flüchtlinge“, erinnert sich der 73-jährige Bella. Über die Wiesen und die Straße stürmten Hunderte von DDR-Bürgern auf den Spalt im Tor zu. Die fünf ungarischen Grenzwächter, jeder mit zehn Schuss Munition in der Pistole, verzichteten auf Weisung Bellas auf Gegenwehr. „Ich hatte Angst um meine Männer und die DDR-Bürger“, sagt er heute.

Binnen kürzester Zeit hatten sich am 19. August 1989 mehr als 600 DDR-Bürger durch das Tor gedrängt. Sobald sie auf österreichischem Boden waren, fielen sich die Männer und Frauen, Väter, Mütter und Kinder in die Arme. „Sie riefen immer wieder: „Freiheit, Freiheit“, so Göltl. Diese Massenflucht von Ost nach West beschleunigte den Zusammenbruch der DDR. Unumstritten hat der dramatische Samstagnachmittag vor 30 Jahren zum Fall der Mauer nur zwölf Wochen später beigetragen. …

… Budapest ähnelte in den Wochen vor dem Paneuropa-Picknick bereits einem Flüchtlingslager. In der Stadt waren einige Tage vor dem Picknick Flugblätter verteilt worden mit genauer Anfahrtsstrecke zum Schauplatz sowie der präzisen Darstellung des Grenzabschnitts bei Sopron.

Die Kundgebung, die unter der Schirmherrschaft von Paneuropa-Präsident Otto Habsburg und dem damaligen ungarischen Staatsminister Imre Pozsgay (beide allerdings nicht anwesend) stand, hätte zunächst einfach nur ein völkerverbindendes Beisammensein beim Grenzübergang nahe Sopron (Ödenburg) samt symbolischer „Grenzöffnung“ sein sollen. Immerhin war in den Monaten vorher bereits der „Eiserne Vorhang“ zwischen Österreich und Ungarn weitgehend abgebaut worden. Zur Ikone wurden die Bilder, auf denen die damaligen Außenminister Gyula Horn und Alois Mock (ÖVP) gemeinsam den Stacheldraht durchschnitten. …

https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-582413.html (19.8.1989  2 min):

Grenzöffnung beim Paneuropäischen Picknick vor 30 Jahren


Ergänzung:

Jürgen Liminski: https://jungefreiheit.de/wissen/geschichte/2019/der-schub-von-sopron/ (19.8.):

[Bernd Posselt]: „Am 19. August war es schließlich soweit: Die westungarischen Freiheitskämpfer organisierten ein Fest mit Gulasch und Musik, Walburga von Habsburg hielt im Auftrag ihres Vaters eine Rede, Hans Kijas vom Münchner Paneuropa-Büro pflanzte auf den verwaisten Wachttürmen Paneuropa-Fahnen auf, und als sich schließlich ein Holztor nach Österreich zu öffnen begann, stürmten 661 Deutsche aus der damaligen DDR in die Freiheit.“ Die ungarische Grenzpolizei schaute weg, das „von manchen befürchtete Blutbad fand Gott sei Dank nicht statt“.

Für Otto von Habsburg und Bernd Posselt war das Picknick von Sopron am 19. August ein „Schlüsselereignis, der Wendepunkt“ der Revolution in Ost-und Mitteleuropa. Drei Tage später erklärte Helmut Kohl vor der Bundespressekonferenz, die Entwicklung der letzten Wochen habe deutlich gemacht, daß die deutsche Frage „nach wie vor auf der Tagesordnung der internationalen Politik“ stehe. „Der Wille der Deutschen zur Einheit in Freiheit ist ungebrochen.“

Zwar wurde der Eiserne Vorhang noch einmal geschlossen, es galt wieder der Schießbefehl. Aber das Picknick war wie ein Ventil aufgestauter Freiheitshoffnungen, …


Ergänzung 20.08.2019:

http://www.miniszterelnok.hu/viktor-orbáns-rede-auf-dem-dankgottesdienst-zum-anlass-des-dreißigsten-jahrestages-des-paneuropäischen-picknicks/ (19.8.):

… Wir haben hier, in Sopron, die vom Osten her errichtete Mauer vom Osten her geöffnet, hier haben wir den Weg für die deutsche und die europäische Vereinigung geöffnet. Wir, Ungarn, waren schon immer Befürworter der deutschen Wiedervereinigung. Ich kann mich gut daran erinnern, dass damals wir in Ungarn die Wiedervereinigung in einem höheren Maß unterstützten als die damaligen Deutschen – von Europa ganz zu schweigen. Wir, Ungarn, haben immer gewusst, dass unsere Befreiung aus der sowjetischen Welt nur dadurch endgültig gemacht werden kann, wenn sich die beiden deutschen Staaten vereinigen, und wir mit diesem Schwung und der Unterstützung des vereinten Deutschlands der NATO und der Europäischen Union beitreten können. So wurde Helmut Kohl zum Helden der Ungarn, und aus diesem Grund umgibt seine Person hier bis auf den heutigen Tag eine besondere Verehrung.

… Morgen gedenken wir unseres heiligen Königs Stephan und der Gründung des christlichen ungarischen Staates. Unser erster König hat schwerwiegende Entscheidungen getroffen, die das Leben der Ungarn bis auf den heutigen Tag bestimmen. Er hat unsere Nation in die Gemeinschaft der christlichen europäischen Völker eingebettet. Die Krone ließ er aus Rom, aber seine Frau aus Bayern kommen. …

… Die christliche Staatsgründung, der Grenzdurchbruch, das an Lebenskraft gewinnende Deutschtum, die besonderen deutsch-ungarischen Beziehungen weisen alle in eine Richtung: die eines starken Europas. Freiheitskämpfer unseres Schlages wussten auch in der Zeit der Teilung, dass es nur ein Europa gibt. Wir haben daran geglaubt und es hat sich wiedervereint. Es hat sich wiedervereint, weil wir daran geglaubt hatten. Auch heute hängt alles davon ab. Wenn wir daran glauben, bleibt die Einheit von Osten und Westen erhalten, und Europa wird wieder zu einem reichen und starken Zuhause der europäischen Völker.
Soli Deo gloria!


Ergänzung 21.08.2019:

https://www.noen.at/in-ausland/bei-gedenkevent-eklat-in-sopron-orban-brueskiert-land-burgenland-burgenland-ausland-viktor-orban-hans-peter-doskozil-thomas-steiner-polit-eklat-159301169 (21.8.):

… Trotz gültiger Einladung wurden sowohl Landeshauptmann Hans Peter Doskozil [SPÖ] als auch ÖVP-Landesobmann Thomas Steiner von der ungarischen Polizei am Betreten der Gedenk-Veranstaltung gehindert.

… Das Bild des Willkür-Apparates des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán komplettiert, dass gewisse österreichische Politiker sehr wohl in die evangelische Kirche Sopron, wo die Gedenkveranstaltung stattfand, gelassen wurden.

Landwirtschaftskammer-Präsident Nikolaus Berlakovich [ÖVP], der Zweite Landtags-Präsident Rudolf Strommer [ÖVP] und Bettina Zentgraf von der SPÖ Mörbisch wohnten dem Event ungehindert bei. In der Kirche, die laut Augenzeugen halb leer blieb. …


Boris T. Kaiser: https://jungefreiheit.de/kultur/medien/2019/mahnung-fuer-die-freiheit/ (22.8.):

… Einen für die Zeit ungewohnt echten und tiefbewegenden Moment gab es an diesem Abend dann aber doch noch. Cornelia Kupsch, heute Bezirksbürgermeisterin für die CDU in Hannover-Mitte, schilderte auf mitreißende Weise, wie sie als DDR-Bürgerin vor 30 Jahren während eines Ungarn-Urlaubs die Chance ergriff, gemeinsam mit ihrem Mann und den kleinen Kindern in den freien Westen zu flüchten. „Dann saßen die ungarischen Soldaten mit ihrem Maschinengewehr auf dem Schoß auf einem Jeep und guckten weg. Dann sind wir an denen vorbei und liefen auf den offenen Zaun zu,“ erzählte Kupsch, während nicht nur ihr die Tränen in die Augen stiegen. …

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