Birgit Kelle: Deutschland muss nachsitzen

http://www.theeuropean.de/birgit-kelle/5341-konsequenzen-der-grundschulvergleiche  (11.10.):

Grundschulvergleiche allein bringen nichts. Man muss auch Konsequenzen daraus ziehen. Aber genau daran fehlt es.

Jetzt wissen wir es wieder einmal schwarz auf weiß: Die Grundschüler in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind den Gleichaltrigen im restlichen Bundesgebiet weit voraus. Schlusslicht bilden mit großem Abstand – wie immer – die Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin. Teilweise liegen die Schüler in Berlin in ihrem Leistungsniveau nach der vierten Klasse ein ganzes Schuljahr hinter den Bayern zurück. …

Es braucht engagierte Eltern

Ein weiteres Ergebnis ist eklatant: Die Schule schafft es kaum, den Bildungshintergrund der Eltern auszugleichen. Besonders schwierig wird es bei Kindern, deren beide Eltern einen Migrationshintergrund vorweisen.

… Wenn das Elternhaus aber doch so wichtig ist für den Lernerfolg, warum arbeitet unser Staat so massiv daran, Bildung noch weiter aus dem Elternhaus in die Krippen, Kitas, Kindergärten und Ganztagsschulen zu verlagern? Warum arbeiten wir nicht daran, dass Bildung zu Hause viel wichtiger und ernster genommen wird? Stattdessen gelten engagierte Elternhäuser gerne als Bildungsverweigerer und Verdummungsgaranten, wie uns die Betreuungsgelddebatte anschaulich vermittelt hat. Genau das Gegenteil ist der Fall.

… Worte wie „Leistung“ oder gar „Elite“ sind in zahlreichen Bundesländern, die auf Gesamtschulen und längeres gemeinsames Lernen setzen, nicht gern gesehen. Eine Förderung der besonders Guten würde ja die Kluft zu den eher Schwächeren noch weiter auftun. Ein grauenhafter Gedanke für all die Einheitsschulenverfechter, die am liebsten alle Kinder von der ersten Klasse bis zum Schluss unter einem Dach unterrichten würden und an der Auflösung eines mehrgliedrigen Schulsystems arbeiten.

… Gender-Experten dürften übrigens wieder die Hände über den Köpfen zusammenschlagen: Die angeblichen Klischees, dass Mädchen besser lesen und Jungs besser rechnen können und das schon in der Grundschule, bestätigen sich in den Ergebnissen.

… Schaut man sich den direkten Ländervergleich an, so sind es ganz andere Faktoren, die offenbar eine Rolle spielen, denn gerade Bayern, der Spitzenreiter, hinkt geradezu hinterher im Ausbau des Ganztagsschulbereiches. Dennoch produziert man dort Spitzenergebnisse. An der Ganztagsschule kann es also nicht liegen. Ganz im Gegenteil. …

Mehrere Hundert Stunden mehr Unterricht

… Nun [], es wäre ja ganz einfach, wenn sich alle Kollegen einmal anschauen, was in Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen oder auch Sachsen anders gemacht wird und wenn man es dann auch in den anderen Bundesländern umsetzt. Stattdessen wird gerade in Berlin lieber experimentiert. Frühere Einschulung der Kinder, Grundschule bis zur sechsten Klasse, jahrgangsübergreifender Unterricht – was hat man nicht alles versucht, anstatt sich einmal dort umzusehen, wo es seit Jahrzehnten funktioniert? Man kann sagen, dass gerade die Stadtstaaten mit ihren Bildungsexperimenten komplett gescheitert sind.

Bremen … Musste ein Kind 1990 noch einen Grundwortschatz von 1100 Wörtern vorweisen zum Ende der vierten Klasse, reichen heute schon 700 Wörter, um die Mindeststandards der Kultusministerkonferenz zu erreichen. Die Lage ist also genau genommen noch viel dramatischer, als die Zahlen es auf den ersten Blick erahnen lassen, denn die Standards werden kontinuierlich gesenkt.

Bildung bleibt Ländersache – und nichts ändert sich

… Die Studie zeigt auch, dass selbst Kinder aus bildungsnahen Akademikerhaushalten in Hamburg, Berlin und Bremen deutlich schlechter abschneiden als Schüler aus vergleichbaren Familien anderswo. Ein Akademikerkind in Berlin ist in Mathematik und Lesen einem Akademikerkind in Bayern um fast ein ganzes Schuljahr hinterher. …

Gefunden via http://charismatismus.wordpress.com/2012/10/11/schulvergleich-deutschland-mus-nachsitzen/

Ergänzung 15.10.2012:

http://charismatismus.wordpress.com/2012/10/15/prasident-des-dt-lehrerverbands-kritisiert-schulpolitik-der-drei-stadtstaaten/:

Angesichts des miserablen Abschneidens von Hamburg, Berlin und Bremen beim Grundschulvergleich haben Lehrerfunktionäre harsche Kritik an der Schulpolitik der Stadtstaaten geübt. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, bemängelte den Trend zur Absenkung von Anforderungen, um möglichst viele Schüler zum Abitur zu bringen.

“Der infiziert die ganze Republik“, so Kraus gegenüber dem Nachrichtenmagazin “Focus”: “Und die Kultusministerkonferenz macht da auch noch mit.”

Er prangerte zudem “völlig anspruchslose Lehrpläne und eine lasche Unterrichtsdidaktik” in den Stadtstaaten an. Die Kultusminister der Stadtstaaten müssten ihre Stundentafel in den Kernfächern Deutsch und Mathematik deutlich erhöhen und sich auf detailliertere Lehrpläne festlegen.

Zudem sei “Früh-Englisch” überflüssig, “diese Stunden sollten dem Fach Deutsch zugute kommen“.

Auch der Vorsitzende des Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, kritisierte: “Die Politik wünscht sich hohe Übertrittsquoten zum Gymnasium. Um diese zu erreichen, überbieten die Stadtstaaten sich mit immer neuen Innovationen.” — Dies führe zu Qualitätsverlusten.

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