Schweizer Langzeitstudie: Krippenkinder sind aggressiver

Studien zeigen: Krippenkinder sind aggressiver (28. Januar 2012):

Kinderkrippen werden oft hochgelobt für ihren förderlichen Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten von Kindern. Auf das Sozialverhalten wirken sie laut Forschern negativ.

Kinderkrippen sind nicht immer so toll, wie sie allenthalben angepriesen werden. Jesper Juul, renommierter Familientherapeut und Gründer von Familylab International, behauptet gar lakonisch: «Kinderkrippen sind nicht für das Wohlbefinden der Kinder geschaffen worden».

Wissenschaftliche Studien bestätigen seine Aussage und zeigen, dass Krippenkinder nicht per se schlauer, früher entwickelt und sozial kompetenter sind. Im Gegenteil: Vor allem bei Kindern, die schon früh, also im ersten Lebensjahr, während mehr als zehn Wochenstunden in einer Kindertagesstätte (Kita) betreut werden, leiden das soziale Verhalten und die psychische Gesundheit.

Das haben Wissenschafter rund um den Engländer Jay Belsky, heute Psychologieprofessor an der University of California in Davis, USA, mit einer gross angelegten, inzwischen 15 Jahre andauernden Langzeitstudie belegt. «Eine geringfügige Verbesserung in kognitiven Fähigkeiten wie Spracherwerb oder Lesenlernen» attestiert Belsky den untersuchten 1300 Kindern. Zugleich aber auch «vermehrt Aggressivität, unangepasstes Risikoverhalten und soziale Auffälligkeiten».

Diese Beobachtungen decken sich mit einer Studie über den «Zusammenhang zwischen Quantität, Art und Dauer von externer Kinderbetreuung und Problemverhalten», die Margit Averdijk vom Institut für Soziologie an der ETH Zürich soeben veröffentlicht hat. Die Studie basiert auf Daten der langjährigen Zürcher Studie zur sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen (Z-Proso), und die Resultate zeigen klar: «Kinder, die in den ersten sieben Lebensjahren ausserfamiliär in Gruppen betreut wurden, weisen mehr Problemverhalten auf», fasst Averdijk zusammen. Der Zusammenhang sei nicht überwältigend gross, zeige sich aber in den vier Punkten «Aggression», «Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivitäts-Syndrom ADHS», «nichtaggressives Problemverhalten wie Lügen und Stehlen» sowie «Angst und Depression». Immerhin: «Das Problemverhalten schwächt sich mit den Jahren ab, bei elfjährigen Kindern ist es nicht mehr feststellbar», sagt ETH-Forscherin Averdijk.

Das ist beruhigend, aber vielleicht trügerisch: Ein paar Jahre später, so zeigen Jay Belskys Studien, also bei 15-jährigen Jugendlichen, machen sich die negativen Auswirkungen wieder verstärkt bemerkbar. Belsky vermutet, dass die früheren problematischen Verhaltensmuster mit dem Eintritt in die Pubertät wieder aktiviert werden und einen Einfluss auf das Risikoverhalten und die Impulsivität haben. Dieser Negativ-Effekt wird nicht aufgehoben durch den leichten Vorsprung an kognitiven Fähigkeiten.

Umso mehr, betont Belsky, dürfe man diese Resultate nicht vernachlässigen, auch wenn der Effekt auf den ersten Blick klein sei: Gemäss Studie können «krippenerfahrene» Kinder später mit ihrem Problemverhalten ihre Kindergarten- oder Schulklasse entscheidend prägen. Und alles in allem ist Belsky überzeugt, dass der Effekt am Ende gar nicht so gering ist: unter anderem, weil eine immer grössere Anzahl von Kindern davon betroffen sein wird.

Deshalb, so monierte der Psychologe unlängst in einem Fachbeitrag, «ist es nicht länger haltbar, dass Entwicklungswissenschafter und Krippenverfechter die Auffassung verleugnen, dass frühe und extensive Krippenbetreuung, wie sie in vielen Gemeinden verfügbar ist, ein Risiko für kleine Kinder und vielleicht die ganze Gesellschaft darstellt».

Die soziale Auffälligkeit der Krippenkinder mag zum Teil auch dadurch zu erklären sein, dass bei ihnen der Stresspegel messbar höher ist als bei Kindern, die zu Hause oder von einer Tagesmutter betreut werden. Normalerweise ist frühmorgens der höchste Wert des Stresshormons Cortisol im Blut messbar, danach sinkt er im Lauf des Tages kontinuierlich ab. …

Dazu Birgit Kelle:

… Man fragt sich, wie viele Studien es noch geben muss, bis man auch in Deutschland zur Kenntnis nimmt, dass es Risiken gibt bei früher Fremdbetreuung.

Und wie lange muss es dann noch dauern, bis man endlich anerkennt, dass es dann vielleicht sinnvoll wäre, die Erziehung zu Hause bei den Eltern zumindest gleichwertig finanziell zu fördern – wenn nicht sogar zu favorisieren.

Ich fürchte, darauf müssen wir noch lange warten.

Und dazu ist interessant zu wissen, dass es in der UN-Kinderrechtserklärung von 1959 noch wörtlich geheißen hat:

… Im zarten Alter darf das Kind nicht von seiner Mutter getrennt werden …

30 Jahre später ist in der 1989 beschlossenen Konvention von diesem Anspruch keine Rede mehr.
Ähnlich übrigens der Lebensschutz:

Während die Deklaration von 1959 dem Kinde den gesetzlichen Schutz sowohl vor als auch nach der Geburt zugesichert hatte, konnte man sich dreißig Jahre später dazu nicht mehr durchringen, weil inzwischen fast alle Staaten die Abtreibung zugelassen hatten.

Ergänzung:
Ich möchte hier auch auf einen familienpolitischen Artikel von Johannes Schwarte, Sozialisationsforscher und Sozialethiker in Münster, in der Neuen Ordnung Oktober 2006 aufmerksam machen:

Wider die anthropologische Ignoranz

  • 1 Mißachtung des Kindeswohls in der aktuellen Familienpolitik
  • 1.1 Kindeswohl und Bedürfnisse der Kinder
  • 1.2 Die Stellung des Kindes in der aktuellen Familienpolitik
  • 1.3 Mutterentbehrung der Kinder als Folge der „Betreuungslösung“
  • 1.4 Folgen der Mutterentbehrung für die Persönlichkeitsentwicklung
  • 1.5 Kinder als Problemverursacher?
  • 1.6 Mißachtung humanwissenschaftlicher Erkenntnisse
  • 1.7 Anthropologische Ignoranz der familienpolitischen Debatte
  • 1.8 Anthropologische Aufklärung als dringendes Erfordernis
  • 1.9 Inhalt einer erforderlichen anthropologischen Aufklärung
  • 1.10 Plädoyer für eine kindgerechte Familienpolitik

Die familienpolitische Lage hat sich seither nicht zum Positiven verändert, im Gegenteil. Denn die Auflösung der Familie ist globalistisch-politisches Programm.

Ergänzung 10.8.2012:
Mir wurde ein Hinweis auf den entsprechenden Artikel aus 2007 mitgeteilt: http://www.welt.de/wissenschaft/article783763/Aus-Kitakindern-werden-Stoerenfriede.html  (29.03.07):

Psychologie: Aus Kitakindern werden Störenfriede
Eine US-Studie behauptet: Kinder, die schon früh in Kindertagesstätten gehen, entwickeln sich später in der Schule eher zu Störenfrieden und Unruhestiftern. Gleichaltrige, die daheim von Eltern, Tagesmüttern oder Kinderfrauen betreut werden, sind – wen überrascht’s – braver. Von Birgitta vom Lehn

Für weiteren Zündstoff in der Kita-Debatte dürfte das Ergebnis einer neuen amerikanischen Langzeitstudie zur Kinderbetreuung sorgen. Die zwei Millionen Dollar teure Untersuchung trägt den Titel „Are There Long-Term Effects of Early Child Care?” und gilt als die größte, umfassendste und am längsten angelegte Untersuchung zur Kinderbetreuung in den USA. Finanziert hat sie das staatliche National Institute of Child Health and Human Development, veröffentlicht hat sie das Fachblatt „Child Development“ in seiner aktuellen Ausgabe. Das Pikante an der Sache: An der Studie sind Forscher der so genannten NICHD-Studie (National Investigation on Child Development) beteiligt, die der Kita-Betreuung bislang weitgehende Unbedenklichkeit bescheinigt hatte. Krippenbefürworter hatten sich in jüngster Vergangenheit immer wieder auf die NICHD-Studie berufen. Ihnen liefert die neue Studie nun kein Futter mehr, Krippengegner dürften dagegen Aufwind verspüren.

Denn der neuen Untersuchung zufolge entwickeln sich Kinder, die schon früh in Kindertagesstätten aufwachsen, später in der Schule eher zu Störenfrieden und Unruhestiftern als Kinder, die daheim von Eltern, Tagesmüttern oder Kinderfrauen betreut werden. Und zwar unabhängig von der Qualität der Kita.

Das britisch-amerikanische Forscherteam unter Federführung des Londoner Psychologieprofessors Jay Belsky startete mit seiner Studie im Jahr 1991 und untersuchte insgesamt 1364 amerikanische Kinder aus Familien unterschiedlicher sozialer Herkunft von Geburt an. Die Wissenschaftler befragten in regelmäßigen Abständen nach der Betreuung und Versorgung der Kinder und baten später auch Lehrer um deren Beurteilung. …

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4 Antworten zu Schweizer Langzeitstudie: Krippenkinder sind aggressiver

  1. heureka47 schreibt:

    Je kleiner / jünger die Kinder sind, desto MEHR brauchen sie für ihre gesunde Entwicklung die – bedingungslose – Liebe der Mutter und entsprechende Zuwendung / Aufmerksamkeit. Das KANN auch eine andere Person als die Mutter sein – wenn sie denn etwa das gleiche für das Kind tut. Die wesentliche Bedeutung der Liebe / Aufmerksamkeit / Zuwendung und Gewährung von Nähe und Geborgenheit usw. liegt in der real existierenden KRAFT / ENERGIE, die das Kind dadurch bekommt und ein eigenes POTENZIAL dieser Energie aufbaut, so wie JEDER Mensch in Wahrheit ein Potenzial von – universeller – Energie, „Lebens-Energie“, „Seins-Energie“ IST. Auch wenn die große Mehrheit der Wissenschaftler das verneint – weil das FEINstoffliche nicht wissenschaftlich anerkannt / beweisbar ist.
    Aber diese Ignoranz ist ein Symptom der „Krankheit der Gesellschaft“, der „Kollektiven Zivilisations-Neurose“, wie ich sie seit 20 Jahren nenne, seit ich sie erkannte und darüber aufkläre.
    Wobei es auch Wissenschaftler gibt und in der Vergangenheit gegeben hat, die über diese wichtigen Faktoren aufklären.
    Michael Balint hat z.B. sehr deutlich über die vernachlässigten Bedürfnisse kleinster Kinder geschrieben unter dem Begriff der „Grundstörung“. Am „anderen Ende“ der Kindheit, in der Pubertät und danach, zeigt sich die „Neurotische Verwahrlosung“ wie Christa Meves in ihrem Buch „Manipulierte Maßlosigkeit“ geschrieben hat.

    Weitere Autoren, Bücher und verwendete Begriffe findet man in meinem „Arbeitsblatt Kollektive Zivilisations-Neurose“ auf http://www.Seelen-Oeffner.de.

    Die „Kollektive Zivilisations-Neurose“ zieht seit ca. 10.000 Jahren vernichtend durch alle Hochkulturen und droht auch die jetzige, fast weltweite, Zivilisation zu vernichten. Nach einer „Kollektiven Psychose“ von 1933 bis 1945 hat die Kollektive Zivilisations-Neurose wieder beträchtliche Potenziale unterdrückter Liebe / Lebens-Energie aufgebaut, die sich schon bald wieder in einer neuen „Kollektiven Psychose“ oder mehreren Dekompensationen entladen werden – es sei denn, wir bringen den Mut auf, diese zu 99,99% unbewußte Krankheit endlich mehrheitlich zu erkennen, grundlegend und nachhaltig zu heilen und ihr Wiederauftreten für alle Zukunft zu verhindern. Mit Psychopharmaka jedenfalls ist das nicht zu schaffen!

  2. Wolf Michael schreibt:

    Das Problem ist, dass dieses Gebahren von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung gedeckt ist. Bleibt also nur auswandern.

    • heureka47 schreibt:

      „Auswandern“ ist eine Art „Weglaufen“, eine „Bankrotterklärung des Charakters“, vor einem Problem, dem man – als wahrhaft erwachsener Mensch – sich stellen sollte und bestrebt sein, es einer Lösung zuzuführen. „Weglaufen“ ist etwas für Kinder bzw. unreife „Erwachsene“.

      Die Wurzel des Problems, der größere Zusammenhang, ist die „Kollektive Zivilisations-Neurose“, wie ich die „Krankheit der Gesellschaft“ nenne, die seit ca. 10.000 Jahren vernichtend durch alle Hochkulturen gezogen ist. Und nachdem die Germanen und ihre Nachbarn mit dieser Krankheit von den Römern infiziert wurden und die Europäer sie auf andere Kontinente exportierten, haben wir heute eine fast weltweite „Hochkultur“, die nun auch dem vernichtenden Schlag durch diese Pandemie geweiht ist.

      Es gibt kein Entrinnen – außer durch grundlegende und nachhaltige Heilung, der ein tiefgehendes BEWUSST WERDEN vorausgehen muss; mutige SELBST-Erkenntnis.
      Und wer sich in diesem Prozess selbst erkennt und – mit dem Herzen – versteht, der lernt auch, sich selbst und seine Brüder und Schwestern im Geiste bedingungslos zu lieben und nicht zu verurteilen.

  3. Pingback: NICHD-Studie: Krippenbetreuung verursacht spätere soziale Schwierigkeiten | Kreidfeuer

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