Hans-Peter Raddatz: Beschneidung vorzeitlich-archaischer Brauch

In einem aktuellen Essay des Orientalisten Hans-Peter Raddatz über „Islamophobie: Die Islamophoben als Mikroben“ kommt er auch auf die Beschneidung zu sprechen:

Spätestens seit dem epochalen 9/11-Anschlag hat sich eine rechtspolitische Sanierung in Gang gesetzt, die ihren Namen verdient, weil sie aus islamischer Sicht in der Tat eine Gesundung des europäischen Rechtsdenkens bedeutet. Ein klassisches Beispiel ist die islamische Beschneidung, die bislang im Schatten der judenbezogenen Schuld stand, sich über deren Ritus auszuschweigen. Im Juli 2012 trat das Thema jedoch plötzlich ins Rampenlicht der Euro-Unterwerfungskultur. Im Falle eines muslimischen Jungen hatte ein deutsches Landgericht die Beschneidung als Körperverletzung und unzulässigen Angriff auf die Unversehrtheit der Person eingestuft und hohe Wellen der Entrüstung ausgelöst.

Während Optimisten meinten, daß eine intakte Demokratie zwischen den politischen und religiösen Rechtspositionen vermitteln könne, machten die Islam-Hygieniker die entscheidende Mikrobe rasch dingfest. Sie wurde im „deutschen Furor“ geortet, einer energiegeladenen Islamophobieform, die wie es hieß, eine seit Jahrtausenden von Milliarden Menschen geübte Praxis untergrabe. Der bisherige Stolz der Moderne, das innovative Messer, das sie seit der Aufklärung zur erfolgreichen Beschneidung von Bräuchen und alten Zöpfen zum Einsatz brachte, zeigte sich bei der Beschneidung selbst auffallend stumpf. Während bislang gerade das Alter von Traditionen und Ritualen als das Maß für das Tempo ihrer Ausrottung galt, kehrte die Islamhygiene die Mikrobendefinition um. Nun konnte ein Brauch gar nicht alt genug sein, um seinen Fortbestand zu sichern, was das eingeschliffene Erfolgsrezept des „Neuen“ durchbrach und die deutsche Bundesregierung zu höchster Eile anspornte, um in Rekordzeit ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen.

Genauer besehen erweist sich die Beschneidung weder als ursprünglich jüdischer, geschweige denn christlicher oder islamischer, sondern als vorzeitlich-archaischer Brauch, der auf den über 10.000 Jahre alten, ägyptischen Sonnenkult zurückreicht. Neben diversen Lichtriten läßt darauf die verbreitete Verwendung von Steinmessern schließen, die auch nach der Einführung der Metallverarbeitung fortgesetzt wurde. Offenbar orientalischen bzw. afrikanischen Ursprungs, kennen ihn die Mongolen und Indogermanen Zentralasiens nicht. Dabei ist die Beschneidung der Frau älter als die des Mannes, während letztere mit Amerika, Ostasien und Australien weiter verbreitet ist. Beide Prozeduren markieren Übergänge aus der Kindheit, wobei die männliche Version mit hygienischen und die weibliche mit sexuellen Motiven begründet wird. Bei der Entstehung spielen auch mythische Aspekte eine Rolle, indem der Schnitt in die Vorhaut und penisähnliche Klitoris die Trennung der hermaphroditischen Urgottheit und damit zugleich die sexualreligiöse Nachordnung der Frau ritualisiert. Letztere hat sich besonders prägnant im Islam erhalten, was sich wie vieles andere auf den Verkünder Muhammad zurückführt (Nagel, Muhammad, 742 Anm. 92), dessen Bedeutung für die politreligiöse Dynamik des Islam kaum überschätzt werden kann. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die Beschneidung nicht im gesamten Islamraum praktiziert und auch nur von einer der vier kanonischen Rechtsschulen (Schafi‘iten) vorgeschrieben wird.

Der Nachdruck und das Tempo, mit denen Deutschland die Gesetzmäßigkeit der – zunächst männlichen – Beschneidung ankündigte, signalisierte ein schlagartiges Absinken des Islamophobie-Pegels und läutete eine neue Phase des Dhimmitums ein, der beschleunigten Unterwerfung unter islamische Erfordernisse, die den Trend der Moderne in einen sich selbst archaisierenden Totalitarismus verstärkt. Der nächste logische Schritt bzw. Schnitt sollte die weibliche Beschneidung sein, der die Euro-Frau wenig entgegenzusetzen hat. Während ihre schrumpfenden Spielräume aus Doppel- und Dreifachbelastungen in Beruf und Familie eine geringere Rolle spielen, ist es vor allem die Umkehrung des demokratischen Gleichheitsgrundsatzes, der nach schariatischer Auslegung die Beschneidung auf keinen Fall auf den Mann beschränken kann. Darüber hinaus ist zu erwarten, daß die eruptive Verbesserung der Unterwerfungsqualität und die Archaisierung des Denkens zugunsten genereller Verrohung und Plebejisierung dem Hegel-Muster folgen und die Religionsfreiheit zur Einsicht in die Notwendigkeit weiterer Anpassungsmaßnahmen ausweiten werden.

Gemäß der Mikrobe-Hygiene-Dialektik sollten nach einer gewissen Rehabilitation des Denkens und nach Eingewöhnung in die Beschneidungsmentalität daher auch der Steinigung kaum noch Steine in den Weg gelegt werden. Folgerichtig steht freilich eine zentrale Umkehrung des Christentums an, das mit Jesu Machtfrage nach der Schuld des (Eliten)Menschen und dessen umso fragwürdigerem Recht auf den Wurf des ersten Steins auf die von ihm Schuldiggesprochenen begonnen hat. …

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2 Antworten zu Hans-Peter Raddatz: Beschneidung vorzeitlich-archaischer Brauch

  1. D.S. schreibt:

    Raddatz zeigt einmal mehr, dass er nicht ein Verteidiger der christlich-abendländischen Tradition, sondern der liberal-demokratischen westlichen Aufklärung ist (und das Wissen darüber, dass dies verschiedene, ja gegensätzliche Schuhe sind, darf ich hier hoffentlich voraussetzen).

    Für ihn gilt offenkundig die liberal-westliche Maxime (die von C.S.Lewis so schön als „chronological snobism“ bezeichnet wurde), dass im Zweifelsfall nicht das Alte, Traditionelle den Vorzug verdient, sondern das Neue (und dass alte Zöpfe abgeschnitten gehören – und dies gar mit „Madame G.“ [was dann wahrscheinlich keine Körperverletzung ist, sondern ???]).

    Der Islam vertritt hingegen zu Recht das Prinzip – wie es auch das christliche Abendland vertreten hat, ja jede gesunde Kultur und der gesunde Menschenverstand – , dass im Zweifelsfall das Alter und die Überlieferung für den Wert einer Sachen sprechen und nicht dagegen.

    Wohlgemerkt, ich selbst (wie auch christliches Abendland und besagter gesunder Menschenverstand) spreche hier nicht umgekehrt einem kruden Konservatismus und Traditionalismus das Wort, so als ob alles Alte ungeprüft und unaufgebbar als absolut gut angesehen werden müsse.

    Daher bin ich ja auch durchaus offen, wenn etwa Sie Carolus oder auch andere Diskutanten gute Argumente gegen die Beschneidung bringen.

    Hier ging es mir zunächst um etwas anderes, um den prinzipiellen Ansatz (und dabei argumentiert Raddatz wie auch viele andere Islamkritiker eben nicht von einer christlichen oder traditionellen Warte aus, sondern von einer liberal-aufklärerischen und unterstützt somit letztlich die NWO, selbst wenn er dies nicht wollte).

    Aber auch was konkret die Beschneidung betrifft bleibt mein Einwand bestehen, dass – alte Bräuche hin oder her – diese im Alten Bund positiv von GOTT angeordnet wurde.
    Zumindest stellte sie ein Indult von dem Verbot der Körperverletzung durch GOTT selbst dar.

    Lieber Carolus, ich bin ja durchaus geneigt darüber nachzudenken – und nehme Ihre Argumente diesbezüglich ernst -, ob aufgrund des Außer-Kraft-Tretens der Göttl. Anordnung durch den Neuen Bund nun die Beschneidung in der Tat als verbotene Körperverletzung angesehen werden kann, soll oder gar muss.

    Zumindest für die Zeit des Alten Bundes zeichnet aber Raddatz hier ein eben so schiefes Bild wie Sie es leider vor kurzem Taten: die ausdrückliche Anordnung GOTTes wird nicht ernst genommen, ja nicht einmal erwähnt und es wird suggeriert, dass die Beschneidung nur eine unvernünftige bis abergläubische alte Unsitte wäre – was aber auch nicht verwunderlich ist, wenn ich einen liberal-aufklärerischen Grundansatz habe, dem gemäß die Bibel „historisch-kritisch“ „entmythologisiert“ (bzw. eigentlich mythologisiert!!) wird und alles, was im Glauben nicht ins moderne Weltbild passt, uminterpretiert werden kann (So eben z.B. die Anordnung GOTTes der Beschneidung – wie übrigens im Alten Bund durchaus auch der Todesstrafe, der Steinigung etc. – obwohl man dann selbst plötzlich mit der Todesstrafe, solange sie nur mit dem französischen Zopf-Abschneide-Messer durchgeführt wird, weniger Probleme zu haben scheint. Es sind dann ja auch alte Z/Köpfe, die rollen!) .

    Nicht umsonst wurde übrigens im Alten Kalender an Neujahr das Fest „Beschneidung des HERRN“ gefeiert, welches dann dem Sezier- bzw. Zopf-Abschneide-Messer der liturgischen Reformen zum Opfer fiel…

    • Carolus schreibt:

      Ich freue mich, D.S., dass Sie den Dialog wieder aufnehmen, den wir bei https://kreidfeuer.wordpress.com/2012/07/29/fuat-sanac-beschneidung-mit-fingernaegelschneiden-vergleichbar/ geführt haben (und wo ich zuletzt den KKK bemühte).

      Ich war ja überrascht, bei Raddatz, den ich als profunden Islamkritiker schätze, eine Einlassung zur vorislamischen Kinderbeschneidung zu entdecken, und möchte ihn nun verteidigen. Auch die liberal-demokratische westliche Aufklärung baut ja wesentlich auf dem Christentum auf, und ich sehe deshalb keinen zwingenden Widerspruch!

      Zu den „alten Zöpfen“: Hier stelle ich Raddatz wieder den hl. Paulus zur Seite: „Prüfet alles; das Gute behaltet!“

      Zu Ihrem Absatz mit dem Islam muss ich zwar zugestehen, dass dieser mit Feuer und Schwert seine Kriegsideologie verbreitet hat und nun dank unserem politmedialen Establishment auch Europa demographisch erobern wird, erinnere aber im Übrigen an die Regensburger Vorlesung Papst Benedikts. Gerne verweise ich auch auf meine Artikel betreffend Islamisierung.

      Zu Gottes Anordnung:
      In einem kulturellen Umfeld, in dem Kinder geopfert wurden (Isaak!), also z. B. vor zehntausend Jahren, war es sicher ein Schritt zu mehr Menschlichkeit und weniger Gewalt, wenn nur mehr die Vorhaut geopfert werden musste. Es wäre natürlich vermessen zu sagen, nun, nach viertausend Jahren, sei der nächste Schritt fällig. Und das Kölner Landgericht wird ihn nicht erzwingen, aber es hat einen international beachteten Anstoß gegeben, und das kann ich als Christ nur gutheißen. Judentum und Islam müssen selbst ihren Weg finden. In Israel und den USA gibt es schon starke Ansätze.

      Ein Einschub:
      Ich hab gelesen, dass die Orthodoxen die Kinder so taufen, dass sie ganz unter Wasser getaucht werden und längere Zeit keine Luft kriegen. Wenn das wirklich so ist und die Kinder nachweislich darunter leiden, so müsste ich H. M. Broder Recht geben, der bzgl. der Taufe – ich hoffe sarkastisch – von „Waterboarding“ geschrieben hat, also einer Guantanamo-Foltermethode.
      Davon abgesehen sehe ich Taufe und christliche Erziehung und das Christentum überhaupt ganz unabhängig von der Beschneidungsproblematik in Gefahr.

      Abschließend stelle ich nochmals die Frage: Passt die Knabenbeschneidung wirklich mit Liebe, Vernunft und Gewaltlosigkeit zusammen, also mit Grundwerten des Christentums? Besonders, wenn man die aktuellen Erkenntnisse bzgl. Kindermedizin und -psychologie, Hirnforschung etc. berücksichtigt? (Ich warte ja gespannt auf eine diesbezügliche Stellungnahme von Christa Meves, die ich als kompetente Katholikin hoch schätze.)

      Nachtrag: Ich habe Sorge, dass Raddatz mit P. Ockenfels, Chef der Neuen Ordnung (http://www.die-neue-ordnung.de/), Zores bekommen wird. P. Ockenfels, den ich bisher sehr geachtet habe, hat ja bzgl. des Kölner Urteils in http://kath.net/detail.php?id=37569 – nach meinem Ermessen – über alle Stränge geschlagen. Mein Leserbrief dazu wurde nicht veröffentlicht:

      Bin bestürzt
      Der von mir sonst sehr geschätzte Pater Ockenfels scheint in dieser Frage von allen guten Geistern verlassen: Er bezichtigt das Kölner LG „richterlicher Selbstjustiz“, wachelt mit der Holocaust-Karte, führt die „viertausendjährige Tradition“ ins Feld und vermisst „kulturelle Sensibilität“. Doch das Ärgste:
      „Irreversibel ist dieser Akt keineswegs. Eine Vorhaut lässt sich heute ebenso leicht nachträglich implantieren, wie man ein Glaubensbekenntnis wechseln kann.“
      Kein Kommentar. …

      P.S.: „Neue Ordnung“ hat nichts mit NWO zu tun, im Gegenteil!

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