Alain de Benoist (JF): Wenn die unten nicht mehr wollen (27.4.):
Die Lust der Gallier am Bürgerkrieg war bereits Julius Cäsar aufgefallen. Die Franzosen sind der gallischen Tradition treu geblieben: kaum eine Epoche ihrer Geschichte, in der sie sich nicht gegenseitig angefeindet und bekämpft hätten. …
… In den vergangenen Wochen waren es die Pläne der Regierung zur Legalisierung der Homo-Ehe, an denen sich die leidenschaftlichen Proteste entzündeten. Sehr schnell rückten Fortpflanzungsfragen (die Notwendigkeit von „Leihmüttern“ und „medizinisch unterstützter Zeugung“ für Homosexuelle) in den Mittelpunkt der Debatte im Rahmen eines gesellschaftlichen Klimas, das von der Einführung der Gender-Ideologie ins schulische Lehrprogramm geprägt war. Den Gegnern des Regierungsprojekts „Ehe für alle“ ist es gelungen, beeindruckende Menschenmassen zu mobilisieren: Vor einigen Wochen demonstrierten über eine Million Menschen in unmittelbare Nähe der Champs Elysées unter dem Motto „Jedes Kind hat das Recht auf einen Papa und eine Mama“. Es waren die größten Demonstrationen, die Frankreich seit dreißig Jahren erlebt hat.
Die Weigerung der politischen Verantwortlichen, den Forderungen dieser gewaltigen Bürgerbewegung Gehör zu schenken, die innerhalb weniger Wochen 750.000 Unterstützerunterschriften zu sammeln vermochte, hat zu einer Radikalisierung der Proteste und „heftiger“ Opposition gegen eine mittlerweile vollkommen diskreditierte Regierungspolitik geführt (weniger als ein Jahr nach seinem Amtsantritt hat Präsident François Hollande Umfragen zufolge eine Zustimmungsrate von lediglich 26 Prozent). Jeden Tag finden nicht nur in den Straßen von Paris, vor dem Senat oder der Nationalversammlung, sondern auch in weiteren französischen Großstädten neue Demonstrationen statt. Obwohl das Gesetz zur Homo-Ehe inzwischen vom Parlament verabschiedet worden ist, wächst die Bewegung weiter nach dem Vorbild der spanischen Indignados („die Empörten“) oder der „Occupy“-Anhänger in den USA.
… Meinungsumfragen zeigen eindeutige Tendenzen und Zahlen, die allen bisherigen Erwartungen widersprechen:
- Über 62 Prozent der Franzosen empfinden die Globalisierung als Bedrohung;
- 71 Prozent glauben, sich im Mittelpunkt der Krise zu befinden;
- 70 Prozent sind der Meinung, daß es „in Frankreich zu viele Einwanderer gibt“, und fühlen sich im eignen Land als Fremde;
- 72 Prozent beklagen, daß „nicht genug zur Verteidigung der traditionellen Werte getan wird“,
- 65 Prozent, daß „die Justiz nicht streng genug mit Verbrechern umgeht“ und die sogenannten weichen Drogen keinesfalls entkriminalisiert werden dürften;
- 73 Prozent (darunter 57 Prozent Linkswähler) glauben, daß „sich in Frankreich Arbeitskräfte finden lassen, ohne daß mehr Einwanderung notwendig ist“;
- 74 Prozent (darunter 59 Prozent Anhänger der Sozialistischen Partei) meinen, daß „die muslimische Religion nicht mit den Werten der französischen Gesellschaft zu vereinbaren ist“. …
… Die Skandale, die mittlerweile fast zum Alltag gehören, werden nur noch als Symptome jenes Zerfalls wahrgenommen, der mittlerweile sämtliche Bereiche der Gesellschaft befallen hat. Zugleich macht sich eine zunehmende Verbitterung bemerkbar, die früher oder später in Wut umschlagen kann. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Verzweiflung und Enttäuschung, der Groll und Frust eine „kritische Masse“ erreicht haben wird. Laut Lenin entstehen revolutionäre Situationen bekanntlich „dann, wenn die oben nicht mehr können und die unten nicht mehr wollen“. Allzu lange wird es nicht mehr dauern.
Ergänzung:
http://www.freiewelt.net/nachricht-12430/%BBles-veilleurs%AB-protestieren-gegen-homo-ehe.html (23.4.):
… Doch der Protest gegen das umstrittene Gesetz reißt nicht ab. Allabendlich versammeln sich junge Menschen vor dem Invalidendom in Paris und in anderen Städten Frankreichs, um ihren Protest zu Gehör zu bringen.
Die Demonstranten nennen sich »Les veilleurs« – die Wächter –, und sie »haben es satt, dass wir als Faschisten und reaktionäre Katholiken verspottet werden«, wie einer von ihnen sagt. Eine Bloggerin, die sich der Bewegung zugehörig fühlt, schreibt: »Sie sagen uns: Die Ehe für alle nimmt auch kein Recht weg, sie kostet euch nichts, warum seid ihr also auf den Straßen? Sie verstehen nicht, dass wir für etwas anderes kämpfen können als für unser kleines Ego. Wir kämpfen aber gegen diese Zivilisation, die sie uns aufzwingen wollen. Wir sind in einer Gesellschaft groß geworden, in der die Werte verfallen. Wir wollen einen Mai 2013, der ein Gegen-Mai 1968 ist.«
Auf eine gewisse Weise üben »les veilleurs« auch Kritik an der Ökonomisierung des menschlichen Lebens, etwa wenn sie darauf hinweisen, dass homosexuelle Paare auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen können und der Kinderwunsch nur mit Hilfe von kommerziellen Dienstleistern erfüllt werden kann. »Das ist nur der Anfang. Bald werden dann Homosexuelle auch die Reproduktionsmedizin beanspruchen und Leihmütter fordern. Und im Namen der Gleichheit wird auch das dann erlaubt«, warnt einer der Aktivisten.
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Ergänzung 9.5.2013:
Die Veilleurs sind eine Gruppe Jugendlicher, die auf friedliche Art ihre Ablehnung des französischen Gesetzes zur Anerkennung einer Homo-“Ehe“ zum Ausdruck bringen. Die Gruppe bildete sich als Antwort auf einige Gewaltakte am Rande der Massenkundgebungen für den Schutz von Ehe und Familie und deren Unterminierung durch Privilegien für Homosexuelle. …
Ergänzung 11.5.2013:
Hans Winkler: http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/1398307/MamaPapa-MamaMama-PapaPapa-wirklich-egal (6.5.):
Bemerkenswert, wie es einer kleinen Minderheit gelungen ist, ihr beschränktes Interesse zu einem zentralen Projekt der Moderne zu machen. …